Über Günther, den Allwissenden

M.: Hast du Muhammad gesehen?
L.: Er ist in Damaskus. Ich habe Günther gesehen.
M.: Igitt. Höre ich den Namen, juckt meine Haut am ganzen Körper.
L.: Ich teile deine Meinung. Die Rumänin Natasa hat viel über ihr Herkunftsland, die Republik Moldau, erfahren. Über die Kultur, über den Alltag. Über die Sitten, über die Bräuche, über die Traditionen. Er verstehe Rumänisch, hat er uns erzählt. Es sei dem Italienischen ähnlich. Und dem Russischen. Unser Russisch hat er womöglich wesentlich verbessert. Wir sind uns nicht ganz sicher. Wir haben fast nichts verstanden.
M.: Dein Russisch ist miserabel. Verstehst du Rumänisch?
L.: Natürlich nicht. Ich verstehe, wenn die Rumänen auf Russisch schimpfen.
M.: Du bist ja keine ausgebildete Sprachwissenschaftlerin. Dein Italienisch ist ausbaufähig.
L.: Ich arbeite hart daran. Hast du Nathaniel absichtlich weggeschickt?
M.: Die Blöße gäbe ich mir nie. Ein Kunde hat ausdrücklich nach ihm verlangt. Warst du im Büro? Ich habe dich nicht wiehern gehört.
L.: Witzig. Ich war im Büro. Ich habe mich vor Markus versteckt. Ich müsste den Kassenbericht abgeben. Er nervt.
M.: Bitte nicht gleichzeitig gähnen und reden. Ist dir klar, dass ich dein Boss bin?
L.: Du bist nicht mein Boss. Nicht seitdem du mich feige an Markus weitergereicht hast.
M.: Du wolltest eine deutsche Diaspora gründen. Du hast genervt. Wer hat dich gefahren?
L.: Yusuf. Günther hat ihn sofort auf die Missstände in der israelischen Gesellschaft aufmerksam gemacht. Auf Rassismus, Ausgrenzung, Polizeigewalt. Yusuf hat die Verantwortung für die äthiopische Community nicht übernommen.
M.: Wie blamabel. Yusuf stammt aus London.
L.: What’s your point? Als äthiopischer Jude soll er sich gefälligst seiner Verantwortung vor Günther bewusstwerden.
M.: Es fehlt ihm an sozialem Bewusstsein. Ich nehme ihm gerne diese Bürde ab.
L.: Nein! Ich erinnere mich lebhaft an eure letzte Diskussion. Ich bin froh, dass ich das Blutbad verhindert habe. Du gehörst zu deinen Kindern, nicht ins Gefängnis wegen Mord und Totschlag. Richard hat er auch nicht gefallen. Die Diskussion über die Missstände bei der Bundeswehr hat leider nicht stattgefunden.
M.: Zu Günters Glück. Warum zieht dein Bruder mit der Familie nicht nach Edinburgh? Das war eine schöne Woche. Du hast mich nicht verflucht. Du hast mich nicht geschlagen. Du hast mich nicht zurückgewiesen. Ich habe nicht um Sex gebettelt. Ich habe nicht um Nahrung gebettelt. Du warst zahm. Und fügsam. Und gesittet.
L.: Klappe!
M.: Eben.
L.: Du brauchst nicht zu seufzen. Saida war übrigens da.
M.: Übrigens? Freue ich mich darüber? Bin ich entzückt? Sexuell erregt? Ist das die Alte mit gelben Haaren, die sich beim Tanzen an den Zwanzigjährigen reibt, die Augen verdreht und grenzdebil blökt: „Ich glaube, ich bin schwanger.“?
L.: Du bist unmöglich.
M.: Du lamentierst, ich müsse mich bessern und toleranter werden. Ernte die Früchte deiner Bemühungen. Ich käme mit zwei Wörtern aus. Die Afghanin?
L.: Oi.
M.: Es hat sich ausgeoit. Was ich dich fragen wollte: Wie sieht’s nun bei Muhammad aus? Will er uns den Transformer abnehmen? Ich schenke ihm alles: Transformerfutter, Transformerklo, Transformerspielzeug, Transformerkörbchen, Transformerhäuschen, Transformerstreu.
L.: Ist der Karakal jetzt ein Transformer?
M.: Hast du ihn schnurren gehört? Er plant bestimmt etwas gegen uns. Woran habe ich gedacht, als ich ihn vorm Tor aufgesammelt habe?
L.: Ans Bumsen?
M.: Lustig. Wahrscheinlich. Ich bin verstimmt. Steh auf, geh in die Küche. Aua! Echt. Kann ich dich noch umtauschen? Aua. Oi.

Ich bin demütig. Ich übe mich in Geduld. Ich übe mich in Nächstenliebe. Ich liebe ihn so, wie er ist. Ich liebe ihn so, wie er ist. Ich liebe ihn… Ob ich in einem Kloster Ruhe fände? In einem Männerkloster?